Stille Gespräche mit Gott

 

Ein Buch mit Dialogen

von Matthias Müller Kuhn

2008, 100 Seiten, Masse: 12 x 19 cm, Kartoniert (TB), Deutsch

 

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In den Stillen Gesprächen mit Gott beschreibt der Autor, der sich selbst als Mystiker bezeichnet, einen inneren Dialog mit Gott, der immer mehr in die Tiefe und zu Grundfragen des Menschseins führt. Am Anfang stehen die Fragen: Wer bist Du, Gott? Wie höre ich Dich? Der Weg zu einer Antwort führt durch viele Bereiche der menschlichen Erfahrung: Zuerst begegnen wir der Leere: Um wirklich mit Gott zu sprechen, müssen wir vorgefasste Meinungen und Vorstellungen von Gott loslassen. Erst in der Leere und im Nichtwissen entsteht eine Gottesnähe, die neue Perspektiven öffnet. Gott wird zum Du, eine Beziehung wächst, die sich wie ein Regenbogen übers Leben spannt. Eine neue Sichtweise entsteht, in welcher viele Lebensfragen in einem neuen Licht erscheinen: Was ist Glück? Warum gibt es Leiden auf der Welt? Ist unser Leben vorherbestimmt? Ist der Tod ein Durchgang zu einem neuen Leben? Wie finde ich Trost und Sinn im Leben? Allmählich wächst zwischen dem Ich und dem Du, zwischen Mensch und Gott ein Vertrauen, welches persönliche Nähe zulässt. Am Ende aller Fragen entsteht die Gewissheit, dass Gott uns keine Antwort gibt, sondern dass er selbst die Antwort auf unsere Fragen ist.

Textprobe


Wer bist Du, Gott? Ich spreche mit Dir und warte, bis Du mir Antwort gibst. Bist Du einverstanden, dass wir miteinander in Kontakt treten?

Was für ein Gegenüber bist Du? Ich vermute, dass Du genau dann schweigst, wenn ich erwarte, dass Du sprichst. Dein Schweigen ist wie eine Bergkette, die noch niemand bestiegen hat. Von jetzt an gebe ich mich mit Deinem Schweigen nicht mehr zufrieden.

Ich kitzle und steche Dich, ich trete Dir auf die Füsse und liege Dir in den Ohren, bis Du nicht mehr anders kannst, als mit mir zu sprechen. Gut, wir treten miteinander in einen Dialog. Jeden Tag nehme ich mir Zeit, mit Dir ins Gespräch zu kommen.

Leere

Schon jetzt, in diesem Augenblick, bist Du in allem ewig. Ich bewege mich in einer Landschaft, die weit und ohne Ende ist. Auf einem Hügel stehend schaue ich auf die Ebene hinab, die bis an den Horizont reicht und sich an die Rundung der Erde schmiegt. 

Mutig betrete ich Deinen Raum, ohne zu wissen, wo er endet und wie er bemessen ist. Ich gelange ins Leere. Für einen Augenblick entfällt mir alles, was ich je gewusst habe. Wie heisse ich? Was habe ich in meinem Leben getan? Wo bin ich zuhause? Was habe ich gelernt?

In dieser Leere muss ich alles loslassen, was ich festhalte. Alles wird mir entrissen, was ich noch umklammere. Willst Du mich wirklich in die Leere stossen, dass ich sogar meine Sprache vergesse? Wie soll ich jetzt Worte finden, um mit Dir zu reden? Bin ich für Dich ein Gegenüber?

Die Nächsten

Ja, ich weiss, Du bist nicht mein Besitz. Du gehörst allen und alle gehören Dir. Du gehörst selbst den Ameisen und den schwarzen Käfern. Bist Du Dir bewusst, dass gerade dies den Umgang mit Dir schwierig macht?

Du lehrst mich eine grosse Weisheit. Wenn ich etwas teile, wird es noch kostbarer. Gut, ich will Dich mit anderen Menschen teilen. Du hast Recht, wenn wir Dich teilen, wirst Du noch grösser und reicher. Du hast Recht.

Wenn ich einem Menschen begegne, nehme ich Dich mit. Du bist zwischen uns und baust Brücken der Verständigung. Wie schnell gibt es Missverständnisse, falsche Worte und Verdächtigungen, belastende Urteile unter uns Menschen.

Wir kommen auf Dich zurück, Du bist unser Ausgangspunkt. Bei Dir beginnen wir neu, auf Dich hin sind wir gemeinsam unterwegs.

Freiheit


Gibst Du mir Freiheit, dass ich mich entfalten kann? Wie sehr haben wir uns selber eingesperrt und sind Gefangene unserer eigenen Vorstellungen geworden! Brauchst Du nicht unendlich viel Geduld mit uns Menschen, da Du mit ansehen musst, wie wir uns in Muster, in Pflichten und enge Raster einsperren?

Ist es nicht so, dass Du uns verlässt, wenn wir Dich beschreiben und Dir einen bestimmten Platz zuweisen in unserem Denken und Handeln? Du bist nicht mehr anwesend, nur noch Deine Hülle halten wir in der Hand, wenn wir Dich zwingen, eine feste, von uns ausgedachte Rolle in unserem Weltbild zu spielen. Du wirst ein leeres Wort, eine Drohung oder eine Ausrede. 

Gott, Du bist Freiheit. Ich springe in Dich   hinein und werde selber frei. Du schenkst mir den inneren Raum, in dem ich mich frei bewegen kann. Erst jetzt weiss ich, was es heisst, frei zu sein.

Bis an die Wolkenränder tanze ich mit der Seele und purzle durch die Träume in einem Feld gelb blühender Blumen. Mit Flügeln des Windes wirble ich durch die offenen Räume eines Abends.

In Dir erfahre ich Freiheit, die als warme Lichtquelle Körper und Seele durchdringt. In jedem Menschen gibt es die Sehnsucht und den inneren, unbeirrbaren Wunsch nach Freiheit. Wir ahnen, dass es die tiefste Bestimmung des Menschen ist, frei zu sein. Durch wie viele Irrwege lässt Du uns gehen?

Sehen

Wie kann ich Dich sehen? Willst Du wirklich nicht, dass wir uns ein Bild von Dir, Gott, machen? Wir Menschen sind darauf angewiesen, dass wir etwas in einem Bild erfassen und dadurch verstehen können. Müssen wir Dich im Bildlosen, auf einer weissen, blinden Fläche sehen?

Nun aber lasse ich alle Bilder von Dir los, sie zerbrechen wie eine Schale, die nutzlos wird. Du bist weder männlich noch weiblich, weder hell noch dunkel, weder gross noch klein.

Gott, gerade weil ich Dich nicht sehe, beginne ich, Dich zu schauen. Kann ich noch beschreiben, was ich von Dir wahrnehme? Darf ich noch Wörter gebrauchen, um darzustellen, was jetzt in mir geschieht?

Es genügt schon, wenn ich weiss, dass ich mit meinem Sehen Dich nicht sehen kann. Du bist hinter den Bildern. Ich bleibe nicht vor dem Bild stehen als neutraler Betrachter, sondern lasse mich hinein fallen und verschmelze damit, bis ich selbst Dein Bild werde.

Glück

Manchmal erscheint das Glück wie eine unerwartete Insel inmitten des Alltags. Öffnet sich plötzlich der Himmel? Fällt ein Lichtstrahl von Deinem Licht auf mein Gesicht? Berühren die Flügel eines Engels den äussersten Rand einer Stunde, dass sie in diese göttliche Bewegung gerät?

Verdichtet sich ein Erlebnis so sehr, dass es zu glühen beginnt und wie eine kleine Sonne leuchtet? Kommt das Glück davon, dass Du Deine Fülle nicht mehr zurückhältst und sie meine Zeit überflutet? 

Glück wird nie mir selbst gehören, ich teile es mit anderen, deshalb darf ich nicht sagen: Ich habe Glück. Das Haben steht dem Glück immer im Weg. Wirst Du mir das Glück nie mehr entziehen, wenn ich es nicht als meinen Besitz betrachte? Gott, bist Du das Glück?

Jetzt verstehe ich, warum in den glücklichen Momenten immer etwas Heiliges liegt, das nie zu begreifen, nie zu erfassen ist. Du zeigst Dich mir im Glück. Wenn ich Dich aber behalten will, entziehst Du Dich mir.

Du sagst mir, dass ich immer glücklich bin, auch wenn ich kein Glück habe. Kann ich erst richtig glücklich werden, wenn ich das Glück verliere?

Bilder von Stefan Baltensperger